Handel

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Auf dieser Seite finden Sie Informationen zu ersten Handelstätigkeiten der Holzschuher.

Die Holzschuher als Händler und Gewandschneider


Noch heute existierende Aufzeichnungen belegen, dass die Holzschuher bereits um 1300 als Händler europaweit tätig waren.


Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von 1304-1307


Kaufmännische Aufzeichnungen der Familie Holzschuher aus Nürnberg (Bayern) der Jahre 1304-1307 in lateinischer Sprache, in seiner Art das älteste vollständig erhaltene Kaufmannsbuch im deutschen Sprachraum. Es belegt die rege Handelsgeschichte der Familie. Neben dem vorwiegenden Tuchhandel wurden aber auch Pelze, Eisenwaren und Gewürze gehandelt. Zu den Kunden zählte der Adel, Geistliche und Bürger.


Lesen Sie hierzu auch den Bericht von Michael Diefenbacher "Das Archiv der Patrizierfamilie Holzschuher von Harrlach im Stadtarchiv Nürnberg" auf unserer Webseite Archivalien Nürnberg


Anton Chroust und Hans Proesler haben das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von 1304-1307 ausgewertet und übersetzt. Dies ist einem Buch von ihnen beschrieben.


Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. Reihe 10

Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von 1304-1307

Verlag Palm & Enke, Erlangen 1934


Das Buch ist auch in unserem Archiv vorhanden.

Bilder (3): © Holzschuher History Archiv

Besprechung zum Buch im Originaltext von Alfred Weitnauer (* 1905 - † 1974)


Autor: Alfred Weitnauer. Kempten (Allgäu). Deutscher Schriftsteller, Heimatpfleger, Historiker und Volkskundler.

Quelle: © Mit freundlicher Genehmigung: Hansischer Geschichtsverein e. V. - Hansische Geschichtsblätter - 65./66. Jahrgang 1940/41

Web: https://www.hansischergeschichtsverein.de



Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von 1304— 1307. Herausgegeben von Anton Chroust und Hans Proesler. (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, 10. Reihe: Quellen zur Wirtschaftsgeschichte Frankens 1.) Erlangen 1934, Palm & Enke, LXXXIV u. 162 S.


Vor wenigen Jahren fand man in dem alten mittelfränkischen Schlößchen Grünsberg unter anderen vergilbten Schriften ein kleines, in Leder gebundenes Pergamentbüchlein. Wie sich später herausstellte, bedeutete der Fund eine wirtschaftsgeschichtliche Sensation: das älteste bisher bekannte deutsche Handelsbuch, der Familie Holzschuher von Nürnberg zugehörend, Vorfahren jenes Hieronymus Holzschuher, der 200 Jahre später Dürer zu einem seiner berühmtesten Porträts gesessen hat.


Das aufgefundene Buch verzeichnet auf 51 eng beschriebenen Blättern Geschäftsvorfälle der Jahre 1304 bis 1305. Sämtliche Buchungen sind in lateinischer Sprache. Kulturhistorisch eine interessante Tatsache: Kaufleute, also Laien, bedienen sich für ihre geschäftlichen Aufzeichnungen der lateinischen Sprache. Es war freilich kein Ciceronisches haben die Herren Prinzipale geradezu Ausdrücke der Nürnberger Mundart frischfröhlich in die klassische Sprache der Römer übersetzt. „Für sich“ z. B. wird schlankweg immer mit „ante se“ verdolmetscht. Wahrscheinlich verdanken wir gerade dieser mangelhaften Beherrschung des Lateins durch die Geschäftsinhaber die knappe Fassung aller Buchungen und den Umstand, daß immer wieder dieselben Formen und Formeln wiederkehren. Mit der Grammatik wollten sich die Herren Holzschuher nicht gern einlassen. So wenig wie mit der löblichen Rechenkunst. Mit Addition und Subtraktion stand der mittelalterliche Kaufmann auf dem Kriegsfuß. Die Herren Holzschuher machten keine Ausnahme. Und wenn auch von den Abschlüssen der Konten kein einziger stimmt — nach unseren modernen Begriffen übelste Mißwirtschaft — so zweifeln wir trotzdem nicht daran, daß die Holzschuher für ihre Zeit ehrenwerte und vollendete Kaufleute waren.


Vier Holzschuher teilten sich in das Unternehmen, das sich uns als eine Familien-Handelsgemeinschaft darstellt. Jeder der vier aktiven Teilhaber schreibt seine Abschlüsse in das — vielleicht einzige — Geschäftsbuch der Firma, ohne Rücksicht, ob es sich um einen Belastungs- oder Erkennungsposten handelte. Die Geschäfte des Hauses Holzschuher waren verschiedener Art. Wir unterscheiden hauptsächlich zwei Gruppen: den Gewandschnitt, d.h. den Verkauf von Tuch und das Kreditgeschäft. Vor allem waren es die begehrten teuren flandrischen Tuche, weiche die Firma Holzschuher in Nürnberg zum Verkauf ausgelegt hatte. Aus Aachen, Brügge, Brüssel, Doornik, Gent, Hüsbeck, Huy, Köln, Maastricht, Poperinghe und Ypern, ja sogar bis von England wurden die feinen Gewebe bezogen, in die sich die Kunden der Holzschuher kleideten. Der Jahresumsatz der Firma an flandrischem Tuch beläuft sich auf etwa 4500 Meter. Dabei handelt es sich durchweg um Kleinverkauf von wenigen Ellen bis herunter zu kleinen Bruchteilen einer Elle, bis zu 10 Zentimeter. Neben Stoffen verkaufte man auch andere Dinge, die mit dem Bekleidungswesen zusammenhingen: allerlei Zeug- und Webwaren, Stoffe zu Handschuhen und Strümpfen, aber auch Leder, Felle, Pelzwerk, Gürtel; ferner Messer, Schwerter, Panzer und Helme, Sättel; Getreide, Heu, Wein, Häute, Pferde, Schweine, Geflügel, Pergament, Pfeffer, Muskat, Ingwer, Safran und Olivenöl verkaufen die geschäftstüchtigen Holzschuher bei Gelegenheit. Der Kaufmann jener Tage war eben der Mann, der alles machte, der alles hatte und alles besorgen konnte, was für Geld zu haben war, ja der sogar das Geld besorgte, wenn dieses seinem kauflustigen Kunden ausgegangen war. Im Prinzip unterschieden sich noch 300 Jahre später hierin große internationale Bankhäuser kaum vom kleinen jüdischen Händler. Das zweite große Geschäft der Holzschuherfirma, und wahrscheinlich auch der meisten anderen Kaufherren jener Zeit, war das Kreditgeschäft. Wie es scheint hatten die wenigsten Kunden Bargeld im Beutel, wenn sie die Gewölbe des Kaufmanns betraten. Das meiste ging auf Kredit. Aber man kaufte nicht nur Waren auf Borg. Wenn dem Rittersmann oder dem Herrn Bischof in der Stadt Nürnberg das von zuhause mitgenommene Geld ausgegangen war, so gingen sie zu ihrem Kaufmann und ließen sich ein paar Pfund Heller vorstrecken. Die Holzschuher waren in dieser Beziehung sehr kulant, auch gegen gefährliche Pumpgenies wie es der Graf Ulrich und der Kanonikus Friedrich von Truhendingen waren, deren Konten im Holzschuherbuch nicht weniger als 101 bezw. 97 Schuldposten aufweisen, wohlverstanden innerhalb eines Jahres.


Die Kunden der Firma teilt das Buch selbst in drei Gruppen und zwar der damaligen gesellschaftlichen Gliederung entsprechend in die drei Stände: Adel, Geistlichkeit und Bürgerschaft. Nach diesem für ein Geschäftsbuch zweifellos originellen Schema ist das Büchlein angelegt. Zu Beginn 242 Konten Adeliger, dann 53 Konten für Geistliche schließlich 150 Konten für Bürgersleute. Innerhalb der Stande verzeichnet das Handlungsbuch ein buntes Durcheinander. Da stehen Dynasten neben Dienstleuten, Reichsfürsten neben niederen Beamten, Bischöfe neben Priestern und Mönchen, Angehörige des späteren Patriziats neben Krämern, Badern und Juden.


Nur ein kleiner Teil der Geschäfte scheint Zug um Zug getätigt worden zu sein. Sofortige Barzahlung war vermutlich selten. Dafür begegnet uns in jenen geldarmen Zeiten manchmal noch der Naturaltausch: Stoffe werden gegen Getreide, Hafer, Heu, Schweine und dergleichen schone Dinge eingehandelt. Aber am allerliebsten kauften die hohen Herren die nie allzuviel flüssiges Bargeld hatten, auf Kredit. Das war angenehmer als die Valuta in Form von Heuwagen oder kleinen Schweineherden mitzuführen. In solchen Fällen, in denen die gekaufte Ware nicht gleich bezahlt wurde, war es üblich, daß der Käufer einen oder mehrere Bürgen stellte. Ihre Namen wurden im Buch säuberlich verzeichnet, damit man sich sogleich an sie halten konnte, wenn der Schuldner nicht so pünktlich zahlte wie er versprochen hatte. Standesgenossen, Nachbarn und Verwandte bürgen in solchen Fällen gewöhnlich füreinander; Herren bürgen für ihre Diener, aber auch umgekehrt. An die Stelle einer Bürgschaft Dritter tritt wohl in Fällen, wo Bürgen nicht zu beschaffen waren, eine Eidesleistung des Käufers, welcher einen heiligen Schwur tat, daß er pünktlich zahlen werde. In wenigen Fällen kennt unser Handelsbuch auch die dingliche Haftung anstelle der persönlichen. So forderten die Holzschuher von einigen sonders stark in Kreide stehenden Kunden einen Teil ihrer herrschaftlichen Grundrenten, Gefälle und Zehnten aus ihren Dörfern als Nutzungspfand. Manchmal hielten es die Holzschuher für notwendig diesen oder jenen Herrn Ritter durch Überreichung eines Kontenauszuges an seine bestehenden Verbindlichkeiten zu erinnern. Auch das geschah vor Zeugen; wohl damit der hohe Herr eine Ausrede weniger hatte, wenn er trotzdem wieder nicht zahlte. Bei den Darlehen, welche in großer Zahl verbucht sind, handelt es sich durchweg um kleinere Beträge; es waren wohl Gefälligkeitsdarlehen auf kurze Zeit, für die Zinsen nicht offiziell1 berechnet wurden; was natürlich nicht ausschließt, daß der Geldgeber daran verdiente. Und hier erscheint nun unter vielen anderen auch jener Rittersmann, der ähnlich wie Columbus einen großen Teil seiner Popularität einigen simplen Hühnereiern verdankt: Seifrid Schweppermann. Er ist als „der brave Schweppermann“ in die Geschichte eingegangen. Das hat ihn aber, wie wir sehen, zu seinen Lebzeiten keinesfalls gehindert, bisweilen andere Leute anzupumpen. Zweimal steht sein Name im Handelsbuch der Holzschuher: einmal als Bürge für den Reichsvogt von Nürnberg, das anderemal als Debitor über 5 Pfund Heller. Für diesen Betrag konnte man sich bei der Firma Holzschuher etwa 7 Meter flandrisches Tuch kaufen. Für das gleiche Geld bekam man im Jahre 1304 aber auch schon ein — nicht mehr ganz feuriges — Pferd. Was der brave Schweppermann mit dem geborgten Geld angefangen hat, verschweigt der Eintrag diskreterweise. Zu Schweppermanns Ehrenrettung sei aber festgestellt, daß er die Hälfte des gepumpten Geldes wieder zurückzahlte und somit durch die Tat bewies, daß er wirklich ein braver Schweppermann war.


Was den Kreditgeschäften der Holzschuher besonderes Interesse verleiht sind die Darlehen an Juden. Juden als Kreditnehmer, die wir doch sonst im Laufe der Geschichte immer nur als Geldleiher kennen? Vermutlich hängt diese überraschende Feststellung zusammen mit den schweren Judenverfolgungen der Jahre 1298 bis 1307. Jedenfalls waren die wenigen Juden, die der Verfolgung entgangen waren, zeitweise darauf angewiesen, fremdes Geld aufzunehmen, um leben oder Geschäfte machen zu können. Wenn es so war, so haben die Holzschuher die Konjunktur ausgenützt. Christen wurden keine Zinsen berechnet — wenigstens nicht offenkundig, dafür hielt man sich an den Juden schadlos. In elf eindeutig liegenden Fällen beträgt der von Holzschuher in Ansatz gebrachte Jahreszinsfuß, den die Juden für kurzfristige Darlehen von 1/2— 2 Jahr zahlen mußten, 63% bis zu 220%. Im Durchschnitt betrug der jährliche Zinssatz etwa 100%. Trotz dieser ungeheuren Höhe der Zinsen ist es aber durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß die Juden selbst in diesen Fällen nur Geldvermittler waren, daß sie die geborgten Gelder wieder weiter verliehen und dafür noch höhere Zinsen erhielten. Für das Jahr 1298 erfahren wir aus einer Nürnberger Chronik, daß die Juden den Kaisern und Königen große Darlehen gewährten. Was werden diese bedauernswerten Könige Zinsen gezahlt haben?! Allerdings kennen wir auch ein Gesetz aus jener Zeit, das den Nürnberger Juden ausdrücklich verbot mehr als 65% Zinsen im Jahr zu nehmen. Aber sie haben sich um dieses Gesetz wahrscheinlich ebensowenig gekümmert wie die Herren Holzschuher und andere Kaufleute um' das Verbot der Breslauer Synode, welches „allen Christen bei Strafe der Excommunikation jeden geschäftlichen oder außergeschäftlichen Verkehr mit Juden“ untersagte.


Dieses älteste deutsche Handelsbuch läßt uns einen Blick tun in den Alltag einer Zeit, die uns sonst nur kündet von Krönungen, Kriegen und Kometen.


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